Die Beerdigungsfeier
Es war eine große Herausforderung für mich, die mehrtägige Beerdigungszeremonie zu dokumentieren. Schon die 10 Tage davor waren voll gepackt: Alle Frauen saßen stundenlang in einer Runde und bereiteten Tonnen von Essen für die Trauergäste vor. Immer mehr Besuch von auswärts kam an, und es wurden immer mehr Helfer:innen. Alle größeren Räume füllten sich mit Getränken, Essen, Geschirr und Stühlen – die auch beschriftet wurden. Die Xylophone wurden repariert, ebenso bröckliges Mauerwerk und der staubige Boden im Hof. Es wurden Latrinen gebaut, das Feld vor dem Gehöft geebnet. Schon in Accra musste Cynthia mit dem Hausangestellten die Geschenke vorbereiten.
Niemand hatte Zeit. Alle waren beschäftigt.
Das große Leichentuch für Pigr ist gewaschen und trocknet seit zwei Tagen auf der Mauer.
Die Xylophone stehen nun bereit.
Sie werden auf der Beerdigung fast drei Tage lang ohne Pause gespielt.
Dann kommt der große Moment, als die Leichname von Pigr und Titus Cousin Gaapagr im Gehöft ankommen. Pognyang, Titus Schwester, ist bei ihrem Mann begraben worden. Pigr wird in einen Raum gebracht und auf den Boden gebettet. Alle Frauen gehen in die kleine Hütte und betrachten schweigend die Tote. Pigr wird gewaschen, einbalsamiert und mit einem schönen Gewand angekleidet. Dasselbe findet für Gaapagr in dem Gehöft seiner statt. Es ist schon spät nachts, als beide Tote im Hof aufgebahrt werden, im Schein von vielen Kerzen sind nur ihre Silhouetten zu erkennen. Beide sitzen auf Stühlen. Dann beginnt das Trommel- und Xylophonspiel.
Kaum geht die Sonne am nächsten Morgen auf, versammelen sich erneut alle Trauergäste im Hof und gehen wieder zu beiden Toten, um sie zu ehren, zu trauern und sie zu verabschieden. Draußen auf dem Feld wird mit viel Liebe zum Detail ein Zelt aufgebaut und geschmückt, wo Pigr und Gaapagr ab mittags hinein gesetzt werden. Um sie herum wird ihr Hab und Gut drapiert: Koffer, Töpfe, Stoffe für Pigr. Gapaagr hatte u.a. einen Pfeil und Bogen. Neben dem Zelt legen die Gäste Opfergaben für die Familie der Toten ab. Hühner und Ziegen werden angebunden, Hirse- und Maisbündel abgelegt. Die Portraits, die ich von Pigr, Kuuyuour 1989 und von Ponyang und Gapaagr 2019 gemacht hatte, sind vor ihnen aufgestellt. Das berührt mich sehr.
Immer wieder kommen viele Gäste am nächsten Tag, einzeln oder in Gruppen, andere gehen wieder. Es wird ab mittags getanzt bis zum Sonnenuntergang. Und erst am dritten Tag werden die Toten bestattet.Die Enkelkinder und alle Frauen ehren Pigr, sie “zertanzen” regelrecht für sie eine Strohmatte. Die Männer legen Pigr schließlich in ihr Grab, gemeinsam mit Kuuyuors Überresten. Wieder wird getanzt und gesungen. Bis zum nächsten morgen. Bis alle völlig erschöpft sind. Bis alle Gäste nach Hause gehen.
Erst langsam kehrt Ruhe ein.
Für die Ausstellung REMEMBER, die am 2. September eröffnet wird, ist ein 50 minütiger Dokumentarfime entstanden, der in kürzerer Form bald auch hier zu sehen sein wird.