Reise zu den Wurzeln

Um zwei Uhr nachmittags starten wir mit Uber-Taxi zur Accra-Main-Station, wo der Bus Richtung Nandom in der Upper West Region abfährt. Der Stau am Samstag Nachmittag ist wieder sagenhaft. Für wenige Kilometer brauchen wir eine Stunde! Vor Ort ein hektisches wie buntes Treiben. Wer mit dem Bus fährt, hat scheints immer viel Gepäck dabei – wohin auch immer die Reise geht: Matratzen, Fernseher, riesige Plastiksäcke, Kartons und vieles mehr. Alles wird in die Gepäckfächer gestopft. Man mag denken, das dauert alles ewig, der Bus fährt jedoch pünktlich ab. Bei allen Passagieren wird die Temperatur gemessen, die wenigsten aber tragen eine Maske. Im Vergleich zu Berlin und Deutschland ist hier Covid19, Corona, Impfung und Boosterimpfung, Inzidenzzahlen und Diskussionen, wie nun am besten diese 4. Welle zu stoppen sei überhaupt nicht Thema. In Accra tragen doch viele eine OP-Maske, aber FFP2-Masken sehe ich keine. Nun denn. Ich fühle mich merkwürdigerweise trotzdem sicher.

Ein Traum wäre es gewesen, wenn der Bus, wie Online angekündigt, nur von 4 p.m. bis 2.35 a.m. bis Wa unterwegs wäre. Ich weiß aber, dass dies einfach nicht wahr ist. Ums vorweg zu nehmen, wir haben 17,5 Stunden benötigt für diese rund 800 Kilometer. Das Schlimmste war ja gar nicht die lange Fahrt, sondern dass über Lautsprecher zuerst eine Messe gelesen wurde – ewig und ewig. So einer dieser erleuchteten und selbst ernannten Pastoren, die ihre Glaubenssätze ins Mikro schreien. Sie denken wohl, das muss so sein, um zu überzeugen. Ich dachte, ich muss sterben. Als es für eine halbe Stunde ruhig war … Ein Segen. Aber dann wurden die Fernsehen angeschaltet und es lief die ganze Nacht eine Soap-Opera, mit nicht minder krakelenden Figuren. Es mag sein, dass dies dann interessant würde, könnte ich Twi verstehen, aber so war für mich nur Kauderwelsch und laut. An Schlafen war nicht zu denken. Obwohl ich dachte, diese Fahrt nicht aushalten zu können, standen Ernestina und ich dann doch in Nandom, rund 20 Meilen, von Hiineteng entfernt. Titus und Ransford holten uns in dem nun rot verstaubten Highlander ab. Sie selbst waren erst wenige Stunden zuvor auch nach einer langen Überfahrt angekommen. So wundert es nicht, dass Titus nun ein Nickerchen hält. Ich habe noch gar nicht alle begrüßt. Die family ist total busy mit bauen, kochen, waschen … Ich störe niemand … Das ist ein gutes Gefühl, dass um mich kein Aufhebens gemacht wird. Auch Ernestina ist bei ihren Eltern und Geschwistern im Häuschen verschwunden. Ich gehe mal auf die Suche nach einem Eimer Wasser zum Duschen.

Es sieht aus wie vor zwei Jahren, die Landschaft trocken, die Erde verbrannt. Sonntags alle schick angezogen, um in die Kirche zu gehen, zu laufen oder sich fahren zu lassen in den dreirädrigen Taxis. Das Gehöft hat sich verändert, wo einst das Häuschen stand, in dem mein Zimmer war 1989, wurde ein großes Haus mit mehreren Zimmern gebaut. Also es entwickelt sich hier alles weiter. Ich habe hier und dort schon Hallo gesagt, mich aber in mein Zimmer zurückgezogen, um zu Atem zu kommen. Die Reise beginnt nun ein zweites Mal für mich.