Wie ich die Geschichte erzählen will

Eine erste Voraussetzung ist, dass wir vor Ort alle Familienmitglieder, Nachbar:innen und Dorfbewohner:innen um ihre Erlaubnis bitten, sie zu interviewen und die Gespräche aufzunehmen, sie zu fotografieren oder zu filmen. Es soll transparent und nachvollziehbar werden, dass unser Material öffentlich gezeigt und auch für viele Menschen, eben auch Fremde, zugänglich sein wird. Jeder und jede soll bestimmen können, ob er oder sie dies überhaupt will.

Wenn dann alles klappt, werden Ernestina und ich Familienmitgliedern unterschiedlicher Generationen, Wohnorten und Berufen in Accra und Hiineteng bitten, uns ihre Lebensgeschichte zu erzählen, über sich zu sprechen. Ernestina wird mir übersetzen, denn vor allem die Älteren im Dorf sprechen wenig oder gar kein Englisch. Sie sollen schildern, wie ihr Leben verlaufen ist und verläuft, ihre Kindheit beschreiben und ihre Erfahrungen als Erwachsene. Ich möchte gerne von ihnen hören, welche Rolle die familiären Netzwerke für sie spielen und was eine so große Familie zusammenhält.

Ernestina und ich werden  am Familienalltag teilnehmen: beobachten, fotografieren und filmen, und wenn ich wieder komme, werde ich die vielen Kilos Material von 1989, 2019 und 2021 miteinander verknüpfen und verdichten, mit Ernestina werde ich dafür weiter eng zusammenarbeiten: Mein Ziel ist, dass womöglich ein Foto-Text-Buch entsteht. Möglichst auf Englisch, damit auch die ghanaische Familie es lesen kann. Alles ist ein Experiment. Sicherlich wird die Beerdigung im Dorf ein Ereignis sein, das für mich aufregend und neu sein wird. Beerdigungen sind in Ghana mit die wichtigste familiäre und soziale Feierlichkeit. Titus organisiert sie seit Wochen, mit Hilfe seiner Frau Irene, seinen Schwestern und Nichten.

Dieser Blog, so der Plan, soll während meiner Reise wachsen, später dann aus Berlin weiter bestückt werden. Und es wäre großartig, wenn Ernestina und andere jüngere Familienmitglieder in Zukunft meinen Part des Sammelns von Erinnerungen und Ereignissen übernehmen, den Blog weiter führen, ihre Wurzeln “düngen” und die Familiennetzwerke weiter wachsen.
Natürlich nur, wenn sie es wünschen und Lust dazu haben. Dahin ist es noch ein weiter Weg.

Kuuim, meine älteste Adoptiv_Schwester, blättert in dem Fotobuch mit Bildern von 1989 und 2019, das ich als Gastgeschenk mitgebracht habe